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Die Polarität zwischen Böse und Gut prägt unsere aktuelle Zeit kollektiv wie kaum ein anderes Thema. Daran entlang tun sich erneut innergesellschaftliche Bruchlinien auf, die wir für ausgestanden und noch vor wenigen Jahren kaum für möglich gehalten hätten. Und doch scheint nur sichtbar zu werden, was lange im Verborgenen schon existent war. Seien es Regierungen, Länder und politische Systeme, oder aber Kulturen, Religionen und die Menschen, die ihnen angehören, sie alle drohen, wieder in diese Kategorie eingeordnet zu werden. So scheint die Welt regelrecht zu zerfallen in eine spaltende Projektion vom bösen Fremden und dem guten Eigenen – das eine muss abgewertet und bekämpft, das andere geschützt und idealisiert werden. Aber auch in der psychotherapeutischen und seelsorgerischen Tätigkeit nimmt die Frage von Böse oder Gut für viele Menschen eine zentrale Rolle ein: wie weit folgen wir den Anpassungsanforderungen des kollektiven Gewissens von Familie, Gesellschaft und Institutionen oder stellen wir uns auf Seiten der inneren Stimme, wie es Erich Neumann ausgedrückt hat?
Was sind aber die Wurzeln dieser Spaltungsphänomene und Projektionen, welche Ängste und Sehnsüchte sind hier am Werk? Welche archetypischen Kräfte von Wachstum und Untergang, Kreativität und Destruktivität, Leben und Tod kommen hier zum Ausdruck? Wie können wir Stellung beziehen, ohne uns mit einem der beiden Pole zu sehr zu identifizieren und selbst einseitig zu werden? Und wie können wir mitten im Sog einer solchen Dynamik einen Ort finden zwischen Böse und Gut – als Individuen und als Kollektiv? Wir sind herausgefordert in unserer Haltung, in unserem Tun und in der Frage nach dem Sinn angesichts dieser Urkräfte.
Im bewährten und fruchtbaren interdisziplinären Ansatz der Internationalen Gesellschaft für Tiefenpsychologie wollen wir uns auf unserer Tagung mit diesen Fragen frei von berufsspezifischen Fokussierungen auseinandersetzen. Aus ganz unterschiedlichen Perspektiven heraus wird das Thema in einem breiten Spektrum aus Vorträgen und Seminaren vertieft. Diese können uns helfen, für uns persönlich, beruflich und in gesellschaftlichem Engagement einen Weg in Mitmenschlichkeit zu finden zwischen Böse und Gut.